In den letzten Tagen hat ein WP Drama begonnen, das sich zu einem, vielleicht historischen Moment für das WordPress-Projekt entwickelt hat. Im Mittelpunkt stehen dabei Automattic und WP Engine.
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Transkript
Hallo, ich bin Simon Kraft und ihr hört den WP Podcast, eigentlich mit den wöchentlichen Nachrichten aus der WordPress-Community, heute mit einer kleinen Sonderfolge.
Die letzten zehn Tage waren für WordPress sehr turbulent. Nicht für WordPress selbst, sondern eher für die Community und das Ökosystem.
Die Situation hat viele Facetten, daher werde ich versuchen, sie so chronologisch und objektiv wie möglich darzustellen.
Obwohl das Ganze vor etwa 18 Monaten begann, kam es bei einer Präsentation von Matt Mullenweg auf dem WordCamp US zum Eklat. Matt, Mitbegründer von WordPress und CEO von Automattic, sprach in dieser Präsentation nicht so sehr über WordPress als Produkt, sondern mehr über die Unterstützung des Projekts. Dabei erwähnte er große Firmen und Investoren, darunter Silver Lake, den Investmentfonds hinter WP Engine, einem bekannten Hosting-Anbieter.
Kurz gesagt, mache WP Engine Hunderte Millionen Dollar Gewinn, investiere im Rahmen des Five for the Future Programms aber nur 40 Wochenstunden. Die Idee hinter Five for the Future ist, dass Unternehmen, die Ihr Geld an oder mit WordPress verdienen, einen Teil Ihrer Gewinne – 5% – zurück in das Projekt investieren, in dem Sie Ihren Angestellten Zeit zur Mitarbeit einräumen oder externe Contributoren dafür bezahlen.
Zudem führte er an, WP Engine habe Markenrechte an den Marken WordPress und WooCommerce verletzt.
Öffentlich geäußerte Anschuldigungen dieser Art sind sehr ungewöhnlich für eine WordPress-Veranstaltung. Selten werden Firmen so direkt angesprochen – schon gar nicht in diesem Ausmaß und auf offener Bühne.
Direkt nach der WordCamp US wurde auf dem offiziellen Blog des WordPress-Projekts ein Artikel veröffentlicht: WP Engine is not WordPress. In dem Beitrag wird erklärt, wie WP Engine durch das Verwenden der WordPress-Marke Verwirrung stifte. Zudem wurde erneut betont, dass WP Engine nur 40 Stunden beiträgt, während Automattic fast 4.000 Stunden pro Woche investiert. Die beiden Firmen haben eine vergleichbare Größe.
Eine der überraschendsten Aussagen im Artikel war die Kritik daran, dass WP Engine standardmäßig Inhaltsrevisionen deaktiviere – eine Funktion, die leicht in der Konfigurationsdatei angepasst werden kann. Die offizielle Dokumentation für Nutzer*innen und das Advanced Administration Handbook – beide Teil von WordPress.org – empfehlen tatsächlich auch, die Anzahl der Revisionen zu begrenzen.
Laut Matt bietet WP Engine daher kein echtes WordPress an, weil sie eine modifizierte Version der Software verwenden.
Es ist daher wichtig zu betonen, dass WordPress unter der General Public License (GPL) veröffentlicht wird, die vier grundlegende Freiheiten gewährt:
- Die Freiheit, die Software ohne Einschränkungen für jeden – auch kommerziellen – Zweck zu nutzen.
- Die Freiheit, es zu lesen und zu verändern.
- Die Freiheit, es kostenlos weiterzugeben.
- Die Freiheit, modifizierte Versionen zu verbreiten.
Die wohl schockierendste Aussage war jedoch die Beschreibung von WP Engine:
Dies ist einer der vielen Gründe, warum sie ein Krebsgeschwür für WordPress sind. Es ist wichtig daran zu erinnern, dass Krebs ohne externe Kontrolle wächst und sich verteilt. WP Engine setzt einen zu niedrigen Standard, anhand dessen Dritte denken könnten, was sie machen sei in Ordnung, und es ihnen gleichtun. Wir müssen einen höheren Standard setzen, damit WordPress auch in 100 Jahren noch existiert.
Die Reaktion auf diese Aussagen war, wie zu erwarten, eine heftige.
Ohne hier tiefer auf rechtliche Aspekte einzugehen, verschickte WP Engine ein Abmahnungsschreiben an Automattic.
Obwohl sich die meisten Mitglieder im Slack-Chat zurückhielten, gab es doch einige Diskussionen im Hosting-Kanal. Dort wurde unter anderem die Frage laut, ob das offizielle WordPress-Blog der richtige Ort für diesen Beitrag ist, und ob er damit im Admin-Bereich aller WordPress-Seiten erscheinen sollte.
Ein Nutzer namens Ángel Plaza veröffentlichte einen Beitrag mit dem Titel WordPress.com is not WordPress, in dem er erklärte, dass auch Automattic, dass unter anderem auch WordPress-Hosting anbietet, einige Funktionen von WordPress einschränken. Ähnlich wie WP Engine mit den Revisionen.
Matt reagierte schnell darauf:
Vielen Dank für deine Meinung. Letztlich habe ich die Kontrolle über wordpress.org und glaube, dass dieser Beitrag im Admin-Bereich aller WordPress-Seiten erscheinen sollte. Was WP Engine tut, schadet WordPress massiv, und dieses Verhalten zeigt sich schon seit Jahren.
Die Diskussion ging weiter, wobei Matt verlangte, dass WP Engine 4.000 Stunden pro Woche beiträgt, was ihrem Umsatz entsprechen und sie auf ein Niveau mit Automattic bringen würden. Außerdem erwähnte er den Rechtsstreit um die Nutzung der Marken.
Kurz danach wurde Ángel ohne Vorwarnung aus dem Make WordPress-Slack gesperrt. Im Verlauf zeigte sich, dass er nicht die einzige Person sein würde, die während dieses Prozesses blockiert wurde.
Auf verschiedenen Plattformen und in sozialen Netzwerken begann eine hitzige Debatte. Es wurde deutlich, dass die WordPress-Community, unabhängig vom Ausgang, der Verlierer sein würde.
Die Diskussionen teilten sich im Wesentlichen in drei Inhaltliche Bereiche auf:
- Die Notwendigkeit zum WordPress-Projekt beizutragen und damit den Open-Source-Gedanken zu fördern. Auch wenn das nicht erzwungen werden kann, aber moralisch wichtig und richtig ist.
- Der Umgang mit den Markenrechten, wobei es seit Jahren unterschiedliche Meinungen gibt, besonders in Bezug auf die Trennung von kommerziellen Marken von Automattic und nicht-kommerziellen Marken der WordPress Foundation.
- Und die Freiheit, die Software zu nutzen, zu verändern und letztlich die Offenheit von WordPress als Open-Source-Projekt zu erhalten.
Es kursierten Gerüchte, dass WP Engine das Widget, das im Admin-Bereich Veranstaltungen und Neuigkeiten anzeigt, bei seinen eigenen Kund*innen blockiert habe, um Matts Blogpost zu verbergen.
Kurz darauf veröffentlichte Automattic ein eigenes Abmahnungsschreiben bezüglich der Nutzung von Marken.
Die Situation rund um die Marke WordPress ist denkbar unübersichtlich. Die Markenrechte liegen bei der WordPress Foundation, die unter Matts Kontrolle ist. Die exklusiven kommerziellen Rechte liegen bei Automattic, dessen CEO Matt ist. Der Namenszusatz „WP“ ist von dieser Marke explizit nicht geschützt.
Es folgte ein weiterer Artikel auf dem offiziellen Blog: für WP Engine wurde der Zugang zu WordPress.org gesperrt. Darin wurde erklärt, dass WP Engine nicht mehr kostenlos auf die Ressourcen zurückgreifen darf, die auf WordPress.org zur Verfügung stehen. Darunter das Plugin- und Theme-Verzeichnis, Update-Server, Übersetzungen und mehr.
Das führte zu noch mehr Kontroversen, da Nutzer*innen nun keine automatischen Updates mehr durchführen konnten.
Schließlich kündigte WordPress.org eine vorübergehende Aufhebung der Sperre an, um WP Engine Zeit zu geben, ihre Systeme anzupassen, während Nutzer notwendige Wartungen durchführen können.
Die Sperrungen wurde heute am 1. Oktober, wieder in Kraft gesetzt. WP Engine gab jedoch bekannt, sie haben Maßnahmen ergriffen um den Zugriff auf die gesperrten Dienste für Ihre Kund*innen weiterhin zu ermöglichen.
Grundsätzlich gibt es wohl vier verschiedene Blickwinkel auf die Situation: Diejenigen, die Automattic und Matt im Recht sehen, die, die zu WP Engine halten, neutrale Mitglieder der WordPress-Community und schließlich diejenigen, denen es einfach egal ist. Ich hoffe, dass wir in dieser Folge einen Weg gefunden haben, den bisherigen Stand der Diskussion neutral darzustellen.
Der nächste Schritt in dieser Auseinandersetzung bleibt abzuwarten.
Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Woche!
Alle Informationen zu diesem Podcast und alle Links findet ihr wie immer auf wppodcast.de. Außerdem gibt es diesen Podcast in weiteren Sprachen: Katalanisch, Spanisch, Französisch, Englisch, Esperanto,Hindi und Portugisisch
Dieser Podcast ist eine Co-Produktion von KrautPress. Er wird unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht. Der Text im spanischen Original stammt von Javier Casares. Deutsche Übersetzung Martin Kraft, Schnitt und Produktion von mir, Simon Kraft.
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